Endy Bonke beim Race across Germany !

Veröffentlicht von Christian (christian evers) am 24.07.2016
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Endy Bonke hatte sich, nach der gefallenen Entscheidung für das Race across Germany 2016 im Sommer 2015, akribisch vorbereitet. Er war im Winter bereits viele Grundlagenkilometer gefahren und dann im Frühjahr auf die Langdistanz gewechselt. Um Familie und Beruf mit dem zeitintensiven Hobby vereinbaren zu können, musste er sein Training auf 2 Einheiten pro Woche beschränken. In der Woche ging da nur ein normales Radsporttraining, am Wochenende aber ging er richtig "auf Strecke" und hatte zwischen März und Juni regelmäßig zwischen 300 und 400 km auf dem Tacho, als er dannn abends nach Hause kam. Vor allem die Radsportveranstaltungen (RTF) in der weiteren Umgebung konnte er mit An- und Rückfahrt gut nutzen, da er alles mit dem Rad erledigte. Zum Beispiel fuhr er zur RTF in Stade am 03.07.16 mit einem Vereinskollegen am Sonntag früh los, war pünktlich zum RTF-Start dort und nach Abfahrt der Runde wieder mit dem Rad zurück nach Ganderkesee - macht zusammen ca. 350km.


Am letzten Wochenende kam dann, nach einer selbst verordneten Ruhephase vor dem Start, der lang ersehnte Tag des RAG. Die Anreise nahm er dieses Mal (ausnahmsweise) mit dem Zug vor. Die Zugtickets hatte er schon lange für Hin- und Rückfahrt gebucht. Bonke hatte sich für den Start in der begleiteten Gruppe entschieden. Am Vorabend des Starts trafen sich die Mitfahrer zum ersten Mal zum kennenlernen. Alle waren etwas aufgeregt aber gut gelaunt und vorbereitet auf die enorme Distanz von 1100km.  Einige der Mitstreiter hatten bereits mehrfahr an derartigen Langdistanz-Veranstaltungen teilgenommen. Für Endy Bonke war es die Premiere.

Und ... wie das Leben so spielt, erwischte ihn das Pech bereits nach 40km! Einer der beiden Cleats an den Schuhen war durch Verkanten angebrochen und brach dann ganz ab. So konnte Bonke nicht mehr mit festem Halt in den Pedalen stehen, was beim Rennradfahren einen großen Vorteil bringt. Zunächst versuchte er noch mit gebrochenem Cleat weiter zu fahren, aber nach den ersten 100 Kilometern musste er dann schon mit Materialschaden eine kurze Pause einlegen. Gott sei Dank hatte er seine Winterschuhe im Gepäck dabei. Und so fuhr Endy Bonke ab da mit einem Winter- und einem Sommerschuh. Derweil versuchten die Helfer im Begleitfahrzeug den kaputten Cleat vom Schuh zu lösen. Aber ... keine Chance, der saß bombenfest verschraubt und Bonke musste den Rest der Strecke mit einem überhitzen Fuß im Winterschuh absolvieren.

Nach den ersten kleinen Wellen ab Flensburg ging es leicht hügelig durch Norddeutschland bis in den Harz. Die Gruppe war flott unterwegs. Die ersten 320km wurden in 10 Stunden absolviert. Das war ein schneller Start im flachen Norddeutschland. Und dann, bei Erreichen der ersten längeren Anstiege im Harz wurde das RAG richtig hart. Gefühlt noch viel mehr, als die angekündigten 18 langen Steigungen, zum Teil mit deutlich zweistelligen Anstiegen also 12% und mehr. Außerdem waren schon viele Stunden mit nur kurzen Pausen vergangen, die Nacht wurde durchgefahren und auf den Höhen des Harzes wurde es empfindlich kalt. Bonkes schwitzender Fuß im Winterschuh war nun gut versorgt. Aber der Rest zitterte bei 5° in den frühen Morgenstunden schon gewaltig, vor allem bei den zugigen Abfahrten. 100 km später kamen dann auch noch die Kasseler Berge und machten es den Fahrern nicht wirklich leichter. Eigentlich ging es seit dem Harz nur noch bergauf oder bergab. Entspanntes pedalieren gab es nicht mehr. "Richtig interessant wird diese enorme Herausforderung ab Kilometer 500", erklärt Bonke, "wenn mal die antrainierten Reserven verbraucht sind". Hier erwartete also der härteste Teil der Langdistanz die Teilnehmer.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die Gruppe dann auch langsamer und es ging richtig los mit der Gruppendynamik.  Zwei Mitfahrer, die ehrgeiziger unterwegs waren, wollten nicht gerne warten, zwei andere kamen nicht gut mit. Ein gemeinsames Gruppentempo zu finden war eine echte Herausforderung. Der freundliche Tipp, doch in den Tour-Bulli einzusteigen, war da noch die höfliche Variante der Konfliktklärung. Einer von den langsamen Teilnehmer entschied sich nach 450 Kilometern zur Aufgabe, der andere fuhr allein weiter, da ihm die Gruppe zu schnell war. Auch andere Mitstreiter erwischte das Motivationstief. Vor allem von den Solo-Fahrern erreichten längst nicht alle das Ziel im fernen Garmisch-Partenkirchen.
In Bayern wurde es dann am zweiten Tag aber Gott sei Dank tagsüber schnell wieder wärmer und etwas moderater mit den Steigungen. Außerdem meinte es wenigstens das Wetter gut mit den Teilnehmern. Der norddeutsche Wind, der manchmal auch von vorne gekommen war, wurde schwächer, die Temperaturen etwas wärmer und die Hügel etwas flacher. Bis Augsburg lief es dann relativ gut, bis auf einen Teilnehmer, der sich in einer Pause den Rücken verdreht hatte und sich sehr quälen musste. Der zweite Tag und die zweite Nacht wurden dann richtig lang und nach der durchfahrenen ersten Nacht und nur kurzen Pinkel- und Ernährungspausen wurde in der zweiten Nacht auf Wunsch von Gruppenteilnehmern ein 20-minütiges Powernapping eingelegt.


Eigentlich waren alle schon viel zu erschöpft für den ganz großen Stress, aber ca. 200km vor dem Ziel ging es in Sachen Gruppendynamik nochmals richtig zur Sache. Der Veranstalter hielt sich raus bei dem Streit, aber ein Mitfahrer konnte durch ein "klärendes Donnerwetter" wieder etwas Ruhe in die Gruppe bringen, so dass die letzten Kilometer zum Erreichen des Ziels dann einigermaßen Konfliktfrei absolviert werden konnten. Alle Teilnehmer waren ruhig geworden, der schnellste Solostarter war schon gefühlte Ewigkeiten (nach 36 Stunden - neuer Rekord) im Ziel und die Gruppe arbeitete sich langsam dem Ziel entgegen. Hinter ihnen waren noch einige Solofahrer auf der Strecke, als die Gruppe endlich überglücklich nach 53 Stunden und 7 Minuten in Garmisch-Partenkirchen das Ziel erreichte.


Dort wartete eine große Überraschung für Bonke: Beim Zieleinlauf jubelte ihm die Familie zu, die heimlich mit dem Wohnmobil nachgekommen war und empfing ihn gebührend. So konnte er vollends erschöpft, aber überaus zufrieden mit dem erreichten Ergebnis erstmal ausschlafen und dann mit der Familie ganz geruhsam den Heimweg antreten. Beim Nachgespräch über die Veranstaltung wird aber schnell deutlich: Bonke ist infiziert vom Langstreckenfahren ! Im kommenden Jahr will er wieder teilnehmen. Dann als Solostarter, um sich für das Race across America zu qualifizieren.  Oder eine ähnliche Veranstaltung ... mal sehen.

Christian Evers
Pressewart RV URANIA

Zuletzt geändert am: 25.07.2016 um 09:32

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