Tobias Rippen erfolgreich bei der Transalp

Veröffentlicht von Christian (christian evers) am 22.06.2016
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Tour Transalp 2016 –Rennradsport aus Leidenschaft!

Eigentlich wollte ich nach meinem Sturz auf der Tour 2015 im Jahr 2016 nicht mehr starten. Zu nachhaltig waren die negativen Erfahrungen aus der ersten Etappe nach nur 35 km. Diagnose: linke Schlüsselbeinfraktur mit diversen Prellungen.

 

Ende November 2015 bekam ich unerwartet einen Anruf von Bernd Rennies aus Bremen. „Moin Bernd, ich habe leider wenig Zeit. Was für ein Anliegen hast du?“ „ Tobias, hast du Lust, mit mir zusammen die Tour zu fahren?“ Nach einem kurzen Schlucken konnte ich die Frage nur mit einem "ja" beantworten. „Tschüß Bernd, ich habe zu tun.“

Oh mein Gott, was habe ich gesagt? Oh nein, Bernd klang so überzeugend. Wie soll ich das denn schaffen? Zusammen mit einem Triathleten, der sich für den Ironman im Oktober 2016 auf Hawaii qualifiziert hat, die Alpen zu überqueren?

Ich hatte ein Problem!

Nein, das war eine absolute sportliche Herausforderung!!!

Und wie sollte ich nun die Herausforderung lösen? Ganz einfach: gezielt trainieren! Verbunden mit Ruhepausen, ausgewogener Ernährung und mentalem Training.

 

Durch meine eigene klare Marschroute verstrichen die Monate sehr schnell und wir hatten plötzlich Mai 2016 und die Sonne am Horizont erwärmte endlich den Fahrtwind. Für diesen Monat standen z.B. mehrere Vierer-Blocks mit jeweils 600 km auf dem Programm.

Ab Mitte Juni absolvierte ich nur noch lockere Einheiten und konnte kaum noch die Zeit bis zum Tourstart abwarten. Ich wollte endlich den Lohn für mein Training auf den sieben Etappen mit über 900 km und knapp 20.000 hm ernten.

Am 24. Juni fuhren wir dann mit sechs Therafit Teams nach Imst/Österreich. Die beiden Transporter steuerten Jürgen und Gregor. Nebenbei erledigten sie für uns das Einchecken in den Hotels und den undankbaren Transport der Taschen. Außerdem begrüßten die beiden Reiseengel uns im Ziel der jeweiligen Etappen. In Namen aller Teilnehmer möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken.

Am darauffolgenden Tag erledigten wir die Akkreditierung und drehten anschließend eine lockere Runde mit dem Rad.

 

1.Etappe: Imst – Brixen 157,49 km 2693 hm
Pässe: Kühtai, Brenner

 

Nach einer kurzen Nacht startete das gesamte Therafit Team mit sechs Mannschaften aus dem Block D. Bernd und ich hatten uns am Vorabend eine gemeinsames Ziel vorgenommen, das von einer Ungewissheit begleitet wurde. Wo ist die Leistungsgrenze bzw. wie groß ist der Leistungsunterschied?

Pünktlich um 9.00 Uhr startete der Block A, und in zwei Minuten Abstand rollten anschließend die Blöcke B, C, und D los. Eine Nervosität unter den Fahrern auf der 15 km langen neutralisierten Phase war zu bemerken. Und endlich war das Rennen zum Kühtai mit 1220 hm auf 18 km freigegeben. Mein Puls schoss relativ schnell in den G2 Bereich, ich musste mich unbedingt an das Hinterrad von Bernd halten. Auf dem Weg zum Scheitelpunkt kamen aber die ersten Zweifel bei mir. Zum Glück bemerkte Bernd meine negativen Gedankengänge und steuerte mit viel Lob aus seiner Erfahrung als Extremsportler dagegen.

Oben auf dem 2017 Meter hohen Pass ging es auf den ersten Kilometern durch leichte Nebelbänke ab ins Tal. Es war gleich am ersten Tag die schnellste Abfahrt. Zusammen mit Bernd und seiner Abfahrtserfahrung kamen wir sogar auf eine Geschwindigkeit von knapp 100 Stundenkilometer.

Bei Kilometer 75 erreichten wir dann den Aufstieg zum Brenner mit einer Länge von 35 km und mit 700 hm und der anschließenden 40 km langen Abfahrt. Kurz vor den Toren von Brixen kam aber noch ein kurzer aber dafür heftiger Anstieg, der mir aus dem Jahr 2014 bekannt war.

Im Ziel angekommen, fühlten wir uns sehr gut, und der Grundstein für eine leidenschaftliche Begeisterung für die nächsten Etappen war gelegt. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass unsere Fähigkeiten gerade in der Ausdauer liegen. Diese werden auch durch das eigene Körperbewusstsein gestärkt und setzten so im Verlauf der Tour Transalp unwahrscheinliche Kräfte frei.

 

2. Etappe: Brixen - St. Vergil 110,84 km 3.059 hm
Pässe: Sellajoch, Pordoijoch, Passo
Campolongo

 

Sehr angenehm und rücksichtsvoll war der heutige Start aus dem Block B. Hierdurch bekam ich zusätzlich eine enorm wichtige Sicherheit und konnte mich gleich am Anfang auf das Rennen konzentrieren und somit schnell meinen Rhythmus für den Berganstieg finden.

Zuerst begrüßte uns das Sellajoch (2.234 Meter) mit einer Abfahrt von nur 400 m und plötzlich stand der nächste Gigant vor uns, nämlich das Pordoijoch (2238 Meter). Oben angekommen, erreichten wir 10km bergab den letzten Pass. Am Scheitelpunkt vom Passo Campolongo ging es im D-Zug mit etwa 15 Fahrern in Zeitfahrmanier bei Tempo 40 bis 50 km/h in Richtung St .Vergil. Trotz der Schmerzen in der Gesäßmuskelpartie fühlte ich mich im Ziel körperlich sehr fit. Belohnt wurde unsere Arbeit heute mit dem 25. Platz in der Kategorie Grandmaster.

 

3. Etappe: St. Vergil – Sillian 131,72 km 2.697 hm
Pässe: Furkelpass, Lago di Misurina, SantÀntonio, Kruzbergerpass

 

Wie in den letzten Tagen starteten wir mit Sonnenschein aus dem Block B. Loben möchten ich an dieser Stelle das gesamte Fahrerfeld. Bei plötzlichen Tempoveränderungen wurden die hinteren Fahrer durch ein „JOOOOOOO!“ gewarnt. Besonders aufregend und gleichzeitig vertrauensvoll war diese Situation beim Duchfahren von kilometerlangen Tunneln.

Aus St. Vergil heraus begrüßten wir sofort den Funkelpass. Mit wenig Frühstück im Bauch fand ich erstmals richtig Freude am Klettern. Die Bereitschaft zu leiden und die anschließende Freude im Ziel war schon im Kopf verankert.

Belohnt wurden die Anstrengungen bei Kilometer 105. Im letzten Drittel des Anstiegs vom Kreuzbergerpass sahen Bernd und ich das zweitplatzierte italienische Frauenteam am Horizont. Diese Situation setzte noch zusätzlich Kräfte frei und wir kamen immer dichter auf Schlagdistanz heran.

Zu diesem Zeitpunkt erreichten wir die Bergkuppe und konzentrierten uns auf die flache Abfahrt nach Sillian. Nach wenigen Kilometer behinderte uns ein italienischer Marshall mit seinem Motorrad. Mit einem berechtigten Kopfschütteln zeigte ich meinen Ärger. Daraufhin überholte uns der Marshall und forderte uns auf ihm zu folgen. Aber nein, wir sind nicht im Windschatten gefahren und wir konnten rechtzeitig eventuelle Gefahren erkennen. Wir bildeten einen Zug, hatten schnell das Frauenteam im Schlepptau und Bernd mobilisierte seine noch vorhandene Energie. Der Clou an dieser Situation war dann folgender: Erreichten wir Dörfer, schaltete der Marshall seine Sirene an. Die Autos machten sofort Platz und die Personen auf der Straße guckten ganz erwartungsvoll, wer denn jetzt im Anmarsch wäre. Dabei waren es „nur“ zwei Personen mit dem Therafit- Trikot aus Bremen und einem erstklassigen Frauenteam aus Italien.

Noch einige Fotos im Ziel mit den Damen, und wir hatten auch diesen wunderbaren Tag geschafft.

 

4. Etappe: Sillain – Fiera di Primiero 135,23 km 2.709 hm
Pässe: Passo Cimabanche, Passo Giau, Forcella Aurine, Passo Cereda

 

Auch am dritten Tag in den Dolomiten bei sommerlichen Temperaturen wurde man regelrecht von den Eindrücken der Naturbilder erschlagen. Bernd und ich sagten beim Aufstieg zum Passo Giau (2.237), es wäre auch an dieser Stelle Zeit, Gott einfach zu danken, dass wir dieses Geschenk erleben durften. Beflügelt von unserer positiven Verfassung, überholten wir immer häufiger Starter aus dem Block A. Natürlich beeindruckte unsere harmonische Fahrt auch andere Teilnehmer und wir bekamen immer häufiger lobenden Zuspruch. „Ihr Fischköpfe ... mit euch möchte ich nicht trainieren ... ihr Bremer Stadtmusikanten schon wieder ... weiter so – alle Achtung vor eurer Leistung!“

Nach einer 40 km langen Abfahrt wurden die Muskeln für die letzten beiden Pässe mit 700 hm gefordert und wir verabschiedeten uns allmählich von den Dolomiten.

 

5. Etappe: Fiera di Primiero – Crespano del Grappa 130,24 km 2617 hm
Pässe: Passo Croce dÀune, Passo San Boldo, Monte Tomba

 

Die fünfte Etappe erschien auf den ersten Blick wegen des flachen Profils wie eine einfache Aufgabe. Im Briefing warnte aber Mark Schneider davor, dass gerade der letzte Anstieg noch sehr viele „Körner“ beansprucht.

Gleich am Anfang war es von großer Bedeutung, dass man eine gut funktionierende Gruppe fand. Auch diesmal ging unsere Taktik wieder super auf und wir konnten Kräfte für den letzten Anstieg sparen. Der Monte Tomba war für mich mit die größte Herausforderung und gleichzeitig eine Bestätigung meiner Vorbereitung. Der Tacho zeigte sofort 20 % an und jeder freute sich über flache Passagen mit 8 bis 10 % zum Verschnaufen. Bernd fuhr an diesem Hügel sehr stark, und schnell hatte er einen akzeptablen Vorsprung heraus gefahren. Mitte des Anstieges hatte ich eine Phase, in der ich gelitten habe. Plötzlich meldete sich zum richtigen Moment eine bekannte Stimme von oben: „Wo bleibst du?“ Meine gedankliche Antwort:“Ich kriege dich!“ Ich weiß nicht, wie Bernd die Situation erkannt hatte, aber es war entscheidend für den weiteren erfolgreichen Verlauf der Tour.

Im Ziel angekommen wurde mir bewusst, wie wichtig Bernd als Leader war bzw. ist.

Hier eine Kurzzusammenfassung der 5. Etappe auf Youtube, bei der wir mit im Bild sind :-).

(die Bilder hier sind Ausschnitte aus diesem Video)

 

6. Etappe: Crespano del Grappa – Levico Terme 141,50 km 3.248 hm
Pässe: Monte Grappa, Cima del Campo

 

Etappenziel auf der Königsetappe: angreifen und einen Startplatz für die letzte Etappe im Startblock A erzielen.

Schnell, nein sehr schnell, wurde das Vorhaben gebremst. Nach nur zwei Kilometern hatte ich vorne einen Platten und das gesamte Feld von über 1.000 Radsportlern verschwand auf dem Weg zum Monte Grappa.

In dieser blöden Situation blieben wir zum Glück relativ ruhig und nach einigen Minuten konnten wir unsere Aufholjagd beginnen. Zuerst mussten wir mit einem gewissen Risiko die Autoschlange hinter dem Fahrerfeld überholen und nach sechs Kilometern hatten wir endlich die ersten Radsportler im Anstieg Monte Grappa erreicht. Die Leistung, die wir dann zusammen nach der gestrigen schweren Etappe abgerufen hatten, möchte ich als bemerkenswert bezeichnen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es mir unvorstellbar, dass man in der Lage ist, durch Willenskraft Leistungen abzuverlangen, die nicht begründbar sind.

Leider habe bzw. konnte ich keine Eindrücke von außen wahrnehmen. Selbst die zwei Anstiege mit 1.400 und 1.100 hm registrierte ich unter der enormen Anstrengung kaum noch.

 

Die letzten 45 km waren unter Erschöpfungs-erscheinungen noch einmal sehr Kräfte zehrend. Die Fahrt ging mit einem sehr hohen Tempo (40 bis 45 km/h) bei leichtem Anstieg und Gegenwind in Richtung Levico Terme. Hinzu kam etwa zehn Kilometer vor dem Ziel ein kurzer Anstieg mit fiesen 10%, und in diesem Abschnitt war das mentale Training von aller- größter Bedeutung.

Auch wenn es nicht mehr zum Block A gereicht hat, war der Verlauf der Königsetappe bzw. die Erfahrung für die Zukunft von großer Wichtigkeit.

 

 

7. Etappe: Levico Terme – Riva del Garda 95,98 km 2.504 hm
Pässe: Kaiserjägerweg,Passo della Fricca, Passo Bordala, Passo Santa Barbara

 

Wie auch nach den letzten Etappen fühlten wir uns immer noch sehr frisch. Für mich war es auch eine Bestätigung meines Trainingsumfanges seit November 2015 und eine Antwort auf Kritiker.

Widergespiegelt hat sich es zum Beispiel an meinen Pulswerten. Dieser lag im Durchschnitt aller Etappen im unteren G2 Bereich. Meine Wattnabe habe ich bewusst durch ein herkömmliches Laufrad getauscht. Ich wollte frei von unnötigem Druck von außen fahren und nur auf mein Körpergefühl hören, was mir auch super gelungen ist.

Jetzt aber zum Finale. Auf dem Weg dorthin stellte sich der Kaiserjäger mit 800 hm und 9km in den Weg. Schnell konnten wir, wie gewohnt, sehr viel Zeit auf unsere Kontrahenten gutmachen, bis zur vorletzten Abfahrt in Richtung Mattarello. Bei Kilometer 45 ist mir wieder der Schlauch, zum Glück in der letzten Kehre, geplatzt. Während der feuchten und schmierigen Abfahrt hatte ich einen großen Anfängerfehler begangen. Im Unterbewusstsein habe ich meine Felge regelrecht zum Glühen gebracht. In diesem Moment war für eine gewisse Zeit eine große Anspannung zwischen Bernd und mir. Beiden wussten wir, dass wir nicht unter die besten 100 kommen würden. Trotzdem war es ein voller Erfolg. Wir erreichten nämlich einen 17. Platz bei dem Grandmaster. Natürlich wurden wir durch die zwei Defekte in der Gesamtwertung zurück geworfen, aber auf der anderen Seite ist es egal, ob man einen Platz 13 oder 17 erreicht hat. Unsere persönliche Zielvorgabe haben wir mit leidenschaftlichem Einsatz, souverän und mit etwas Stolz erreicht.

Zum Schluss möchte ich mich natürlich bei allen Personen bedanken, die diese Tour Transalp 2016 ermöglicht haben. Ein besonderer Dank gilt auch Mark Schneider, der eine fantastische Tour durch die Dolomiten und anschließend atemberaubende Etappen durch das Weinbaugebiet gestaltet hat.

Ein großes Dankeschön gilt auch dem Hauptverantwortlichen Matthias Ley. Danke Matthias, bis zum nächsten Jahr!

Und jetzt zu unseren sechs Therafit- Teams. Mit EUCH –immer wieder-!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ja, und einer bleibt noch übrig: Bernd- GRACIA!

 

 

Tobias Rippen

12. Juli 2016

 

Zuletzt geändert am: 12.07.2016 um 07:14

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