Von einer Regenschlacht mit gelben Engeln! |
Veröffentlicht von Christian (christian evers) am 06.07.2017 |
Von einer Regenschlacht mit gelben Engeln ...
Race across Germany von Endy Bonke erfolgreich bewältigt !
Bereits 2016 hatte Endy Bonke diese Wahnsinnstour mitgefahren. Damals allerdings in der Gruppe und nicht als Einzelstarter. In diesem Jahr wollte er sich nun der ultimativen Herausforderung stellen, die Strecke von Flensburg nach Garmisch-Partenkirchen an einem Stück allein zu schaffen. Als Unterstützer hatte er zwei Vereinsmitglieder im Begleitfahrzeug dabei, die ihm zumindest den Rücken frei hielten. Zur Vorbereitung war Bonke bereits im Winter Marathonstrecken gelaufen, um die Grundlagenausdauer zu trainieren. Ab März kam dann das verstärkte Training auf dem Rad dazu. Er konnte beruflich bedingt nur am Wochenende lange Strecken fahren. So musste er, um diesen Ultra-Marathon zu schaffen, diese Zeit nutzen, um so lange wie möglich auf dem Rad zu sitzen. In der Umsetzung hieß dass in 12 Wochen jedes Wochenende zwischen 400 und 600 km zu fahren. Er stand morgens um 3 auf und fuhr alle Radsportveranstaltungen, die die Vereinskollegen mit dem Auto aufsuchten, mit dem Rad an. Dort fuhr er die ausgeschilderten Strecken ab, um danach mit dem Rad wieder nach Hause zu fahren. So kam in dem 1/4 Jahr intensiver Vorbereitung fast 5000 Kilometer und 25.000 hm zusammen – das fahren viele andere Hobbyradsportler nichtmal im ganzen Jahr.
So gut vorbereitet machte sich das Team mit zwei Begleitfahrern und Endy Bonke auf den Weg nach Flensburg. Am Freitag früh morgens war es dann endlich so weit. Bonke startete um 8:02 Uhr voller Energie und guten Mutes mit 30 weiteren Startern auf die Mammutstrecke. Im Abstand von zwei Minuten wurden die Fahrer auf die Reise und in den feinen Nieselregen geschickt. Bonke ließ sich vom Wetter nicht beeindrucken und nahm schnell seinen gewohnten Fahrrhythmus auf, den er für lange Zeit und viele Kilometer durchhalten konnte. Aber das Wetter wollte so gar nicht mitspielen, Petrus hatte kein Erbarmen und bereits in Schleswig-Holstein gab es die ersten Motivationsprüfungen: der Teamwagen streikte schon 1 Std. nach dem Start. Bonke bekam das mit, fuhr zurück, half den Teamwagen von der Straße zu schieben und setzte dann das Rennen fort. Er musste dann erst mal für lange Zeit alleine fahren, war plötzlich nur noch auf das Navi angewiesen, welches prompt erstmal seinen Dienst verweigerte. Nach 4 Stunden kamen dann die beiden Begleiter mit dem Ersatzfahrzeug. Endy war überaus froh die beiden wieder zu sehen. Und das schon auf den ersten Kilometern - was für ein Start in die Regenschlacht.
Auf den ersten 300 Kilometern regnete es dauerhaft. Zunächst sah es so aus, als ob der Regen abends abziehen sollte, aber die Regenwolken zirkelten um sich selbst, blieben standhaft über den 30 RAG-Startern stehen und begleiteten sie durch die erste Nacht. Auch wenn viele Langstreckenfahrer sich vom Wetter erstmal nicht beeindrucken lassen, so nagt der Dauerregen doch an der Kondition, der Körper verbraucht mehr Energie um den Wärmehaushalt zu regeln und es gab bereits die ersten Fahrer, die sich entschieden das Rennen vorzeitig zu beenden.
Bonke aber fuhr und fuhr – stur in seinem Tempo. "Nicht denken, nur treten" hatte er sich immer wieder gesagt. Eine Anweisung des sportlichen Leiters zur Langstrecke war: "mach den Kopf zu und arbeite!"
Der erste Tag ging also rum wie im Flug, die Fahrt in die Nacht war weiter begleitet vom Regen und wie es dann so kommt, hatte Bonke natürlich auch noch technische Probleme zu bewältigen. Der erste Plattfuß war schnell repariert und sorgte für eine kurze Verschnaufpause. Auch wenn die Pausen nur kurz waren, musste Bonke doch die vielen verbrannten Kalorien wieder zuführen. Dafür hatte er sich ein spezielles Nahrungskonzept gemacht. Nur leichte und gut verträgliche Kost sollte den Magen nicht belasten, aber für viel Nachschubenergie sorgen. Seine Hauptnahrung bestand aus Melonen und Haferflocken – eine nicht wirklich verlockende Mischung.
Inzwischen hatte Bonke das norddeutsche Flachland durchfahren und war in den Hügeln des Harzes angekommen. Hier wurde es deutlich schwerer und da er kein leichtfüssiger Bergfahrer war, ging auch das Tempo an den kräftigen Steigungen nun immer wieder herunter. In den Abfahrten gab es dafür ein paar Minuten Erholungspause. Bonke wusste, was auf ihn zukommt und meisterte die Anstiege mit Gleichmut und kontinuierlichem Durchhaltenvermögen.
Parallel zum RAG waren auch andere URANIA-Radsportler auf dem Rad unterwegs. Radsportkollegin Ose Leendertz hat sich am Samstag bei einer Marathonveranstaltung gemeldet und meldete sich über Whatsapp nach 200 km müde und voller Bewunderung für Bonke, der nach wie vor auf dem Rad saß und stoisch, den Blick nach vorn gerichtet trat und trat und trat. "Nicht denken, nur treten"!
Am zweiten Tag, dem Samstag, waren auch einige URANIA-Sportler in Düsseldorf beim Start der Tour de France als Zuschauer vor Ort. Hier ging es hoch her und die aufmunternden Whatsapp-Nachrichtigen und Bilder aller Vereins- und Familienmitglieder flogen nur so hin und her. Der Tag verging und der kleine orange Punkt auf der Landkarte des Race-Tracking, den alle gebannt verfolgten, bewegte sich Millimeterweise voran. Die beiden Begleiter im Auto hatten alle Hände voll zu tun die Grüße, besten Wünsche und motivierenden Bilder von der Strecke zu beantworten und Bonke zuzurufen. Auch am Strassenrand wurde Bonke angefeuert von Fans und Teams anderer Fahrer, die auf der Strecke auch noch andere Anlässe zu feiern hatten.
Der nahm all das allerdings inzwischen nur noch wie in Trance wahr. Die Müdigkeit machte sich immer mehr breit und es gab nur noch das Ziel auf der Strecke möglichst gut voranzukommen, um sich dem Ziel in Garmisch-Partenkirchen zu nähern. Der Regen hatte sich inzwischen auf kurzen Schauer beschränkt und es brach die zweite Nacht herein.
Und dann gab es nur noch eins: Bonke und die Straße, treten, treten, treten, nicht denken, nur treten!
So langsam kam die Dämmerung des zweiten langen Tages und die wohl anstrengeste Nacht des Jahres kam auf Bonke zu. Bei diesem Rennen sollte nichts glatt laufen und die Nacht hielt noch ein paar Überraschungen parat.
23:13 Die Dunkelheit wurde tiefer und mit den schweren Regenwolken wurde die Nacht tiefschwarz. Plötzlich war der orange Punkt auf der Karte verschwunden. Familienmitglieder fragten besorgt, was los ist und um 00:04 kam die erlösende Nachricht, dass eine Baustelle für Verzögerungen und Umwege gesorgt hatte.
02:08 nach ca. 800Km fällt das Stecklicht aus, überlebensnotwendig in tiefschwarzer Nacht und vor Bonke liegt nur noch schwarze Strasse in schwarzer Nacht. Die Suche nach dem Ersatzlicht ergab nach langem Gewühle, dass es wohl im Teamfahrzeug – welches mit Kupplungsschaden in Flensburg stand – verblieben war. Ein weiteres mitgeführtes Ersatzlicht war mittlerweile aktiviert ... und leider nicht aufgeladen. Als letzte Möglichkeit wurde noch eine Taschenlampe aufgetrieben, die behelfsmäßig mit dem kaputten Schlauch des ersten Plattens am Lenker befestigt wurde. So konnte wenigstens für die Zeit des Aufladens der Ersatzlampe eine Lösung gefunden werden und Bonke konnte mit der Hilfe seiner 'gelben Engel' nach der unfreiwilligen Pause das Rennen fortsetzen.
04:00 weitere Baustellen und Streckensperrungen im Dunkeln machen Bonke das Leben schwer. Während er den Regen noch gut wegstecken konnte, machten ihm die Umwege mehr und mehr schwer zu schaffen. Die Reserven waren längst verbraucht und so langsam wurde die lange Nacht zu einer echten Prüfung, trotz eisernem Willen und unglaublichem Durchhaltevermögens. Jeder Kilometer zog sich unendlich lang hin und wenn dann auch noch eine Straßensperrung dafür sorgte, dass es plötzlich nicht mehr weiter ging, bzw. ein Umweg gefahren werden musste, wurde es ganz, ganz schwer sich noch weiter zu motivieren. Den beiden "gelben Engeln" gelang es ihn nochmal aus dem Loch zu holen und etwas aufzumuntern.
05:35 Bonke legt sich endlich freiwillig für 20min hin und macht eine kurze Schlafpause um neue Kräfte zu sammeln.
07:07 Der dritte Tag nimmt seinen Lauf und damit es nicht langweilig wird, gab es den nächsten Plattfuß, aber solche Kleinigkeiten steckte Bonke inzwischen mit Achselzucken locker weg. Es geht durch Bayern und Bonke leidet inzwischen an jedem Berg und bei jedem Schauer unter den kräftezehrenden Anstiegen und der nassen Kälte. Die Motivation schmilzt auf den 0Punkt. Inzwischen haben bereits viele der 30 Teilnehmer das Rennen aufgegeben.
Und für Bonke gilt immer noch: treten, treten, treten, nicht denken, nur treten, auch wenn es weh tut. Jeder Höhenmeter schmerzt, aber Bonke gibt nicht auf.
11:00 Die Race-Traking-App zeigt an, dass die Restkilometer nur noch zweistellig sind, d.h. es sind nur noch 99 Restkilometer zu bewältigen. Das motiviert auf der einen Seite nochmal, aber die Beine sind schon so leer und schwer, dass es nur noch langsam voran geht. Bonke nimmt alle Energie zusammen und kämpft sich über die letzten Hügel, die Durchschnittsgeschwindigkeit nimmt weiter ab. Bei den Mitfahrern sieht man beim Race-Tracking, dass sie zum Teil an den Anstiegen abgestiegen sind und ihr Rad geschoben haben (Geschwindigkeiten zwischen 2 und 4 km/h).
Bonke hält durch und hält das Tempo immerhin über 20 km/h. So kommt er am Ende völlig erschöfpft aber überglücklich nach 1100 Kilometern mit 7500 Höhenmetern nach 56 Stunden 09 Minuten als 11ter ins Ziel. Alle anderen Fahrer hinter ihm hatten das Rennen aufgegeben. Auch das machte Bonke und sein Team (Axel Mehrtens und Joachim Brinkmann) am Ende noch ein bischen stolzer auf die Energieleistung am Ende bei allen Qualen doch durchgehalten zu haben.
Christian Evers
RV Urania Delmenhorst
Zuletzt geändert am: 07.07.2017 um 09:43
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